Lang ist es her, dass ich mich auf diesem Wege mitgeteilt
habe und nun sitze ich hier und tippe vor mich hin – zum Glück gibt es jede
Menge Wartezeiten an Flughäfen, sonst hätte ich die Zeit hierfür vermutlich
wieder nicht gefunden. Da einige von euch vermutlich nicht die Zeit oder Geduld
haben, sich zu viel durchzulesen, möchte ich darauf hinweisen, dass der nächste
Absatz eine kurze Einleitung ist, die mit mir sehr vertrauten Menschen (meine
Eltern, Schwester usw.) keine neuen Erkenntnisse liefern wird und daher
übersprungen werden kann.
Ich habe diesen Blog also mutieren lassen, oder vielleicht
sollte ich eher sagen ich habe ihn revolutioniert, und nun ist sein Inhalt
nicht mehr nur mein (großartiger) zweijähriger Aufenthalt am UWC Costa Rica,
sondern ein Fenster in mein tägliches Leben. Wozu? Weil mein tägliches Leben
nicht zu Hause stattfindet, sondern es mich mal wieder in die Ferne verschlagen
hat und ich nächste Woche mein vierjähriges Studium an der University of
Glasgow anfange.
Und so beginnt endlich der Lebensabschnitt, den ich gerne
als meine „glorreiche, lebenslang prägende Studienzeit“ bezeichnen möchte und
das schon jetzt bevor ich auch nur einen Schritt in einen Hörsaal getan habe.
Doch dass mein Bett drei Tage vor der Abreise zusammenbrach, auf den
Sperrmüllfriedhof gebracht wurde und mich somit quasi weggestupst hat aus
meinem so vertrauten Zimmer, scheint mir ein erstes positives Zeichen zu sein.
Als hätte es sagen wollen: „So liebe Laura, es ist Zeit, verzieh dich endlich
und leb dein Leben.“ Und wirklich: Für heimische Besuche reicht eine einfache
Matratze auf einem Lattenrost doch völlig aus.
Auch der Flug nach Glasgow (über Amsterdam) hat meine Hoffnungen steigen lassen. Nachdem
ich gut ein Jahr lang nur mit den billigsten aller billigen Billigairlines
geflogen bin, ist KLM ein echter Luxus. Kurz nach dem Start des nicht ganz
eineinhalb stündigen Fluges wurden schon Snacks und Getränke verteilt. Weiches
Vollkornbrot mit Rührei, kalt. Dem Rührei habe ich nicht ganz über den Weg
getraut... wer weiß wann die Dinger zubereitet worden waren und aus was das
„Rührei“ tatsächlich bestand. Natürlich habe ich mir die kostenlose Mahlzeit
trotzdem nicht entgehen lassen, ist schließlich eines der Highlights des
Fluges. Außerdem gab’s Getränke en masse dazu, schwarzen Kaffee und Wasser für
mich. Und kaum hatten die lieben (und ich meine wirklich ungewöhnlich
fröhlichen, höflichen) Stewardessen alle hungrigen und durstigen Passagiere
bedient, mussten sie auch schon wieder durch die Reihen kommen, um den Müll
einzusammeln und als das endlich vorbei war, erschien auf den kleinen Monitoren
über den Sitzen die Info, dass wir in zwanzig Minuten landen würden und der
Kapitän meldete sich, verabschiedete sich von uns und bedankte sich für den
angenehmen Flug. Und da saß ich auf Sitz 12B, völlig perplex, weil für mich der
Flug da doch erst so richtig angefangen hatte. Kaum hatte ich meine
Überraschung über die Kürze der Reise überwunden, setzte die Maschine auch
schon sanft auf der Landebahn auf und wir wurden gebeten auszusteigen.
Danach kam mir der vierstündige Aufenthalt am Flughafen in
Amsterdam schon viel eher wie eine echte Reise vor und das obwohl ich nur auf
einer Couch gesessen und den beschäftigten Flughafen Trubel über mich hab
rieseln lassen. Genau in dieser Zeit ist es auch über mich gekommen, mit dem
Schreiben für den neu erfundenen Blog zu beginnen. Die Kombination von völligem
Schlafentzug (eine Stunde Schlaf in der Nacht davor), schwarzem Kaffee und dem
allgemeinen wohligen Reisegefühl scheinen mein Gehirn einen verwirrend klaren
und kreativen Zustand zu versetzen.
So saß ich zum Beispiel im Flugzeug und blickte hinunter auf
die verschlafene Landschaft vor den Toren Amsterdams. Das Netz der
traditionellen Grachten schuf ein gleichmäßiges Muster, das sich anzuschauen
fast wie Meditation wurde. Dabei schweiften meine Gedanken allerdings ab und
mir kam der Gedanke wie es wäre als ein Riese groß wie zwei Wolkenkratzer über
diese kleinen Grünen Quadrate zu hüpfen. Von einem auf das andere. Bei jedem
Sprung gibt die Fläche ein wenig unter den enormen Füßen nach und Wasser
schwappt über den Rand des Grün. Das Ziel ist es, nicht vollkommen mit einer
Fläche vom Wasser verschluckt zu werden und auch nicht beim Sprung
hineinzufallen.
Das wäre sicher ein vorzüglicher Zeitvertreib.
Auch der Rest der Stadt hat in mir gleich Vertrauen geweckt.
Natürlich habe ich nur einen flüchtigen Blick aus dem Flugzeugfensterchen auf
die eher industriellen Teile der Stadt
bekommen, aber dennoch. Es herrschte eine gewisse gelassene Ordnung, die mich
glücklich lächeln lies. Die Straßen, die in mein Blickfeld gerieten, zogen sich
in anmutige Kurven durch Landschaft und Wohngebiete und trotz des tristen
Wetters wirkte alles irgendwie fröhlich und entspannt.
Bei der Landung sind wir dann sogar so dicht über Häusern
und Straßen geflogen, dass man mit etwas Können den Figuren unter uns doch
tatsächlich auf den Kopf spucken und treffen hätte können.
Und so war ich immerhin schon mal in Amsterdam. Nicht mehr
lang, nicht mehr weit und die „glorreiche und lebenslang prägende Studienzeit“
hat mich.
Der Flug nach Glasgow war ebenso unspektakulär, aber
angenehm und am Flughafen wartete schon ein „Empfangskomitee“ für alle
internationalen Schüler und ein beharrlicher Nieselregen, der einen schleichend
durchweicht. Im großen Reisebus ging’s los zum Studentenheim. Glasgow an sich
scheint seine schönen Seiten zu haben, aber bisher hab ich davon noch wenig zu
Gesicht bekommen. Ich bin mal gespannt wie mein Eindruck wird, wenn ich die
Stadt ein bisschen besser kenne.
Als wir endlich am Murano Street Student Village angekommen
sind, wo ich wohne, wurde uns mitgeteilt, dass wir erst ab vier Uhr einchecken
konnten, also noch zwei Stunden warten mussten. Also hab ich mich mit einem
Inder und einem Bulgaren, die beide ziemlich schräg waren, aufgemacht den
nächsten Tesco (Supermarkt) zu suchen. Dafür und um darin ein bisschen
rumzubummeln haben wir gut 45 Minuten gebraucht. Und dann noch mal eineinhalb
Stunden bis wir unsern Weg zurück wieder gefunden hatten… Und trotz dessen und
des schnöden Wetters mit kuscheligen zehn Grad waren wir gut gelaunt als wir
das Village wieder erreichten. Auch die eeeeeewig lange Schlange von
ankommenden Schülern, die uns da erwartete, konnte uns nicht schocken – wir sind
einfach reinmarschiert – schließlich hatten wir ja schon unsere Koffer da drin…
Von der Wohnung und meinem Zimmer selbst war ich erst einmal
etwas ernüchtert. Es sah aus als hätte man ein altes Gefängnis umfunktioniert.
Alle Türen sind Feuertüren und müssen immer geschlossen sein, was schon mal ein
sehr ungeselliges Umfeld schafft… Aber als ich dann mein Zimmer schon etwas
wohnlich gemacht hatte und meine erste Mitbewohnerin, Iona (Schottland),
eintraf, änderte sich meine Meinung langsam. Und inzwischen bin ich super
zufrieden damit.
Der Abend wurde noch wild, hier eine kleine Zusammenfassung:
Iona und ich sind in ein anderes Haus gegangen wo eine
kleine Party geschmissen wurde. Mit einem Engländer bin ich dann durch einige
Häuser und hab alle Leute, die wir angetroffen haben, animiert zu uns zu kommen
und mit zu feiern. Dann sind wir alle zusammen zu einer Party in nem Club von
der Queen Margaret Union aufgebrochen. Queen Margaret ist eine von mehreren
Schülerverbänden der Uni Glasgow.
Schon lange hab ich nicht mehr so ausgiebig und vergnügt getanzt,
gefeiert und Unsinn geredet wie in dieser Nacht. Allein der Fakt, dass Iona und
ich die ewig lange Schlange vor dem Club einfach überspringen durften, weil wir
mit einem unterwegs waren, der den Organisator kannte, war aufputschend. Die
Stimmung war ohnehin schon den ganzen Abend großartig, aber danach konnte es
natürlich nur noch besser werden.
Und als Iona und ich morgens wieder zurück gelaufen sind,
bekam die Nacht noch ein kleines i-Tüpfelchen aufgesetzt als wir mitten in
Glasgow einen Fuchs ganz entspannt die Straße überqueren und auf dem Gehweg um
die Ecke verschwinden sahen.
Ich bin bereit für eine ganze Woche mit mehr davon. Heute
Abend ist eine white t-shirt Party. Jeder bekommt ein weißes T-Shirt und da
kann dann jeder drauf schreiben. Und morgen ist eine Ampel-Party – trage grün,
wenn du Single bist, gelb, wenn du es mysteriös halten willst und rot, wenn du
vergeben bist. Und so geht es die Woche dann weiter…
Gut, das reicht denke ich erstmal als Einstiegs-Post. Ich
werde nicht immer so viel schreiben können, also gewöhnt euch nicht dran.
Bis bald,
Laura