Zurück in Glasgow. Der Flug war ziemlich angenehm und gleich als ich zurück war wurde eine meiner Ansichten, die ich während der Ferien geäußert hatte, bestätigt: Die Schotten sind ein freundliches Völkchen. Woran habe ich das gesehen? An der herzlichen Höflichkeit, die mir der Busfahrer am Flughafen entgegenbrachte. Es war nicht die herablassende "Ich weiß ja was, was du nicht weißt und das ist, dass ne gute Chance besteht, dass alle deine Sachen gestohlen werden und sich niemand drum schert"-Attitüde, die Costa ricanische Busfahrer an den Tag legen, wenn sie dein spärliches Gepäck in den ohnehin schon überladenen Bauch eines Busses verfrachten, der in Deutschland schon vor zehn Jahren nicht mehr durch den TÜV gekommen wäre. Es war auch nicht die gelangweilte und bisweilen fast anklagende Gleichgültigkeit eines deutschen Busfahrers, der dich fast glauben machen kann du fügest ihm persönlich Harm zu indem du seinen Bus besteigst. Nein, es war einfach ein freundliches, hilfsbereites Lächeln und ein "There you go, dear. Take a seat" als er mir mein Ticket wieder gibt.
Der erste Tag, Montag, war gleich sehr voll gestopft. Aber das ist auch gut so. Morgens, wenn ich mich um halb neun auf den Weg zur Uni mache, kann man jetzt wieder regelrechte Völkerwanderungen beobachten. Murano, das Studentenheim, in dem ich lebe, ist so groß, dass schier endlose Mengen an jungen Studenten jeden Morgen ihren Weg zur Uni machen. Allerdings, wenn sich dieses Semester genauso entwickelt wie das letzte, dann wird dieses verstörende Phänomen nur noch ein, zwei, höchstens drei Wochen anhalten, bevor sich die Situation wieder deutlich entspannt und nicht nur die Fußgängerwege, sondern auch die Vorlesungssäle sich wieder bedeutend leeren während die guten Vorsätze für das neue Jahr, oder in diesem Fall das neue Semester, langsam in Vergessenheit geraten.
Währenddessen scheinen sich Biologie und Science Fundamentals zusammen getan zu haben in dem Vorhaben, dieses Semester so langweilig und zäh wie möglich zu gestalten. In SciFun dürfen wir uns mit Logarithmen rumschlagen, vorgetragen von einem ergrauten Prof, der anscheinend die gesamten Ferien durchgefeiert hat, zumindest nach dem Zustand seiner Stimme zu schließen, die bei jedem Wort zu schwinden scheint. Er tut mir fast leid, wie er da vorne angestrengt in sein Mikrofon reinröchelt. Biologie übertrifft das aber vielleicht noch. In Biologie machen wir nämliche gerade Chemie. Atome und ihre Eigenschaften und wie das die Eigenschaften von Wasser beeinflusst und alles Mögliche über den pH und so weiter. Na gut, also das Langweilige kommt jetzt, dann kann der Rest des Semesters ja nur interessanter werden.
Wenigstens Psychologie beginnt spannend. Es geht ums Denken, Probleme lösen und so weiter. Ich merke bei diesem Thema wie mir zum allerersten mal das Fach Theory of Knowledge, das ja am UWC unterrichten wird, hilft.
Die Wohnung übrigens, die ich vor meiner Abreise im Alleingang geputzt habe (weil meine lieben Mitbewohner alle einfach gefahren sind, ohne sich um sowas banales wie Aufräumen und Putzen zu kümmern), befand sich bei meiner Ankunft (und auch jetzt noch) in einem Zustand absoluter Unordnung. Der Boden im Flur sieht aus als hätte jemand jede Menge Popcorn verschüttet, der Boden in der Küche ist genauso dreckig und klebt dazu noch und neben dem Waschbecken türmen sich riesige Berge von dreckigem Geschirr. Was war passiert? Iona war schon letzten Donnerstag zurück gekommen und hat am Freitag gleich ne riesen Party geschmissen. Das ironische ist, dass sie sogar regelrecht Stolz auf sich zu sein scheint, da sie beteuert ich hätte mal sehen sollen wie dreckig die Wohnung am Samstag gewesen wäre und dass sie ja einen wirklichen guten Job beim wieder Ordnung schaffen geleistet hätte. Ich musste schon arg an mich halten, um nicht die Geduld zu verlieren. Stattdessen habe ich höflich gefragt, ob sie nicht bitte wenigstens überall staubsaugen könne und den Boden der Küche wischen. Die Antwort hat mich wirklich an ihr zweifeln lassen: "Ja, wir sollten am Wochenende mal eine große Putzaktion machen".
Ich hoffe ich kann mich bald wieder motivieren, einen neuen Post zu schreiben,
Eure
Lauri
P.S.
Es regnet. Jeden Tag. Was mir letztes Jahr noch so normal vorkam, erscheint mir jetzt, nach der doch relativ trockenen Zeit in Deutschland, geradezu klischeehaft. Man möchte dem Land gutmütig auf den Rücken klopfen und ihm versichern, dass man nie an seinem Können, alle schottischen Klischees zu erfüllen, gezweifelt hat.