Ich stehe morgens auf und sehe: Regen.
Nein, ich übertreibe. Eigentlich regnet es hier gar nicht mal so viel. Zumindest in letzter Zeit nicht.
Das ist auch ganz gut so. Denn mein Weg von der Wohnung bis zur Uni ist zwischen 15 und 20 Minuten lang. Ein bisschen Nieselregen macht da nicht viel. Aber manchmal trommelt der Regen herunter als wollte er uns einstimmen auf das wahre Glasgow-Wetter, uns Zeigen wo der Hammer wirklich hängt. Dann komme ich in der Uni an, die durchweichten Socken in Aquarium-Schuhen. Der Rucksack so nass, dass die Ränder meiner Blöcke und Hefter nass werden. Die Jacke pitschnass von außen - und von innen. Der Regen erlaubt es nicht, sie offen zu lassen, aber es ist zu warm als dass es bei dem ständigen auf und ab hier in Glasgow nicht zu einem gewissen Grad an Schweißbildung käme. Die nasse Jeans klebt an den Oberschenkeln. Was gibt es unangenehmeres? In solchen Momenten wünschte ich, ich wäre in Costa Rica, wo ich die Aquarium-Schuhe gegen Flip-Flops und die Schwitze-Jacke gegen ein leichtes T-Shirt austauschen könnte.
Es ist nicht so als ob es schrecklich kalt wäre, muss ich fairer Weise sagen. Mir kommt es wohl nur so vor. Die verrückten Schotten gehen allerdings nur in Strickjacken und Pullis zur Uni (wenn es nicht regnet). Sie beschweren sich, dass es zu heiß wäre, wenn ich es gerade mal angenehm finde - mit Jacke.
Allein wenn man die kleinen Schulmädchen durch die Straßen laufen sieht. Mal ehrlich: In Deutschland bekämen die Eltern das Jugendamt auf den Hals gehetzt, wenn ihre Kinder Anfang Oktober in kurzen Röckchen und ohne Strumpfhose in die Schule kämen.
Aber hier ist alles ein wenig anders und es ist ok, bei gefühlten fünf Grad halbnackt rumzulaufen.
In jeder anderen Hinsicht habe ich mich jedoch eingewöhnt.
Die Professoren sind weites gehend sehr gut - bis auf ein, zwei. Es ist viel viel Arbeit. Aber die Arbeit fällt leichter als es in der Schule der Fall gewesen wäre. Ich will ja hier sein. Es war meine Entscheidung. Ich habe die Fächer gewählt. Also kann ich dafür auch arbeiten. Ich will sogar unbedingt dafür arbeiten. Ich fürchte bisweilen, ich mache mir selber zu viel Druck.
Ich ernähre mich übrigens überaus gesund. Zumindest das wird mir schon mal helfen. Ich koche alles mögliche und meistens zu viel, wodurch ich jede Menge Eingefrorenes habe und für ne ganze Weile ausgesorgt hab. Von Ratatouille über Hähnchencurry und Pilze in Sahnesoße bis hin zu simplen Spaghetti mit Tomatensoße kommt bei mir alles auf den Tisch. Einmal habe ich auch einfach einen Wirsing-Kopf gekauft und rumexperimentiert. Mit Sojasoße lässt sich auch so einiges anstellen. Ich bin sicher so einige meiner Experimente wären nicht für jeden genießbar, aber ich bin immer sehr zufrieden mit mir selbst.
Ich hab jetzt auch ein schottisches Konto. Das war vielleicht ein hin und her. Eigentlich wollte und brauchte ich gar kein Konto. Miete konnte ich laut Uni ja auch per Kreditkarte zahlen. Aber Pustekuchen! Hätte ich mit Kreditkarte zahlen wollen, hätte ich alles auf einmal zahlen müssen. Und das spätestens am 10. Oktober.
Per Bankeinzug in monatlichen Raten ging nur über ein britisches Konto.
Meine Anfrage, ob es nicht irgendeine Möglichkeit gäbe, in monatlichen Raten von einem nicht-britischen Konto oder mit einer Kreditkarte zu zahlen, war ebenfalls erfolglos.
Also bin ich gleich zur Bank und hab mich erkundigt. Wartezeit, um mein Konto eröffnen zu können war eine Woche. Das war am ersten Oktober. Klar, dass ich da schon ein bisschen unruhig wurde. Noch dazu ich einen speziellen Brief von der Uni brauchte, um ein Konto eröffnen zu können. Den hatte ich beantragt, sollte zwei Werktage dauern. Aber mit all solchen Dingen scheine ich einfach kein Glück zu haben: Nach drei Tagen war der Brief noch nicht da. Nach fünf Tagen hab ich mich dann halb auf den Kopf gestellt und Druck gemacht bis ich meinen Brief schließlich sofort bekommen habe - einen Tag vor meinem Termin. Ein auf und ab ist das, so ein Stress... Aber jetzt ist alles aussortiert. Außerdem gefällt mir das ganz gut - In Zukunft überweise ich das Geld, was ich mir selbst zur Verfügung stellen will, einfach monatlich auf das Konto und dann wird es das erste mal sein, dass mein wundervoller Herr Papa mir nicht ständig über die Schulter schauen kann, was meine finanzielle Situation angeht. Juhu!
Apropos Stress: Am Wochenende werde ich den mal so richtig abbauen. Ich fahre nach Wales - European Reunion. Alle ehemaligen UWCCR Schüler, die sich momentan in Europa befinden und die Möglichkeit haben treffen sich dort für ein ganzes Wochenende. Ich brauche euch nicht sagen wie sehr ich mich darauf freue! (Übrigens war auch beim Erhalt meines Zugtickets dafür mal wieder mein allgemeines Pech mit im Spiel - habe ich wohl im Leben zu viel Glück gehabt und nun versucht das Schicksal verzweifelt mit allen Mitteln diesen Fehler wieder auszugleichen?)
Freitag gleich nach der letzten Vorlesung geht's los. Sonntag um Mitternacht komme ich wieder in Glasgow an.
Keine Sorge, ich arbeite diese Woche extra hart, damit ich bis Freitag alles fertig hab und nichts mit in die nächste Woche schleppe! Das würde mir eh das Genick brechen.
Ich habe so schon bisweilen leichte Sorge, ob ich das alles schaffe. In einer einstündigen Vorlesungen nehmen wir hier so viel durch wie in einer ganzen Woche am UWC. Und dabei kann man noch nicht mal ordentliche Notizen machen. Ich sitze den ganzen Nachmittag und Abend da und mache mir nochmal saubere Abschriften meiner Notizen, mit denen ich dann lernen kann.
Naja, es ist es wert.
Jetzt muss ich ins Bett, damit ich den morgigen Tag überstehe.
Man ließt sich!
Eure,
Laura
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