Wenn du dich plötzlich ganz oben auf einem Berg, mitten im Dschungel wieder findest, den gesamten Körper mit einer zentimeterdicken Schlammschicht bedeckt, in so dichtem Nebel, dass du kaum drei Meter weit sehen kannst und du allein bist, bis auf eine Gruppe von 8 Leuten, die alle genauso hilflos, schlammbedeckt und durchgefroren sind wie du und von denen einer blind ist, einer die Hände verbunden hat und einer nicht sprechen darf, dann kommen dir plötzlich komische Gedanken.
Selbstverständlich wird einem die Absurdität dieser Situation erst dann bewusst, wenn man sich bereits mitten drin befindet – und dann ist es grausig lustig.
Lucy puhlt sich Schlamm aus dem Ausschnitt, Dee versucht sich verständlich zu machen und am Gespräch zu beteiligen ohne zu sprechen (ziemlich erfolgreich), ich führe Wies und rufe: „Ooooh, look, look, guys: these huge black-white butterflys! They are beautiful and they’re dancing tango! Do you see them? Do you see them?“ dabei vergessend, dass Wies die Augen verbunden hat und somit die wundervollen und wirklich riesigen Schmetterlinge nicht sehen kann und Camill beginnt Wies‘ völlig schlammigen Haare zu flechten, sodass sie sie garantiert nicht mehr entwirren kann.
Könnt ihr euch vorstellen, wie man sich in dieser Situation fühlt??
Das Problem ist: Nein, könnt ihr vermutlich nicht.
Es fällt mir zunehmend schwerer, meine unwahrscheinlichen Erfahrungen und Erlebnisse hier so in Worte zu fassen, dass ihr ihre Genialität, ihre Absurdität, ihr Wundervoll-sein und manchmal ihre Traurigkeit oder Blödikeit versteht.
Trotzdem versuche ich es, aber bitte stellt euch vor, dass alles was ihr lest noch dreimal so intense ist (verdammt, was ist das deutsche Wort dafür???)
Also: Natürlich sind wir einen langen Weg gegangen, bis wir uns schließlich dort oben mitten in der Wildnis wiederfanden. Völlig mit Schlamm bedeckt, der, nebenbei gesagt, wie sau stank.
Alles begann damit, dass wir zum alljährlichen legendären First-Year-Camp aufgebrochen sind. Das Wort „legendär“ ist bewusst gewählt. Im Vorfeld haben uns unsere second-years erzählt, dass diese zwei Tage eine der wichtigsten und tollsten Erfahrungen in ihrem ersten Jahr hier waren. So richtig geglaubt hat ihnen jedoch niemand, aber jetzt sind wir völlig fertig, weil wir so glücklich über die letzten zwei Tage sind.
Seht ihr was ich meine? Wenn wir unseren eigenen second-years schon nicht glauben, egal wie schillernd die Farben waren, mit denen sie das Camp beschrieben haben, wie sollt ihr dann jemals verstehen, was diese Sache so besonders, so einmalig, so unvergesslich macht?! Wie sollte ich euch Gefühle, die in der Gemeinschaft entstehen, in einer besonderen Gemeinschaft, die wachsen und sich entwickeln, die groß werden und einen einnehmen, beschreiben können?
Es geht nicht. Ich halte mich daher an die Fakten und werde es nur hier und da einmal mit etwas Gefühl stümperhaft würzen.
Wir brachen also auf. Mittwochmorgen, 7 Uhr Abfahrt. Wenn ich geschrieben habe, dass das erste Camp, in dem wir in der zweiten Woche alle zusammen waren, in den Bergen war, dann war dieses Camp jetzt beinahe im Himmel.
Tatsächlich musste der kleine Bus, in dem ich saß, einige Male an den steilen Berghängen halten, weil der Busfahrer die steilen Kurven nicht nehmen konnte.
Es ging schier endlos bergauf, bis wir schließlich in einem – ich muss es sagen – wunderschönen Camp angelangten.
Ihr könnt euch nicht vorstellen, wie die Schlafsäle aussahen, das heißt es ist wohl eines der wenigen Dinge, die ihr euch tatsächlich sehr gut vorstellen könnt: ein langer, langer Flur und dann ein Doppelstock neben dem anderen, alle zwei Betten von einer kurzen Wand getrennt.
Das machte aber gar nichts, wegen der Kälte hat sowieso so gut wie niemand alleine im Bett geschlafen und es ist leichter jemanden zu finden, mit dem man ein Bett teilen kann, wenn man nicht unnötig durch viele Wände und Türen getrennt ist.
Wie auch immer, ich sollte mich nicht zu sehr bei den Details aufhalten, damit ihr nicht ewig lesen müsst.
In Kürze: Wir haben viele Spiele gespielt (ja, Spiele, GEMEINSCHAFTSSPIELE, und es war sehr sehr lustig!) und wir haben unsere Gruppen (wir wurden vorher in Gruppen mit je zwei Leadern (second-years) aufgeteilt vorgestellt. Ich hatte sehr Glück mit meiner Gruppe und den beiden Leadern, wir haben unsere Gruppe Sambuca-sinnlosesilbenaneinandergereiht-sushi oder kurz, sambuca indians getauft und uns vorgestellt indem wir eine Zeremonie veranstaltet haben, in der die neuen Stammesmitglieder aufgenommen wurden (wir Fist-year-gruppen-Mitglieder) und die Namen verkündet wurden. Ich war „Squaw Slapped Face“, weil ich eine blaue Hand auf meinem ganzen Gesicht hatte. Fingermalfarbe. Wir hatten unsern Spaß, jaah, auch beim Gestalten der Flagge.
Aber, weil ich, wie so ziemlich jeder, leichten Sonnenbrand habe, weil die Sonne so herrlich geschienen hat, sieht mein Gesicht jetzt aus, als hätte mich irgendwer so heftig geschlagen, dass die Fingerabdrücke davon einfach nicht mehr verschwinden.
Und dann irgendwann kam der Höhepunkt, der langersehnte: Die Rally.
Jede Gruppe bekam eine grobe Karte und musste sich, ohne die second-years auf den Weg machen, von Station zu Station. Aber: Einer Person mussten die ganze Zeit die Augen verbunden sein, einer Person die Hände gefesselt und eine durfte nicht sprechen dir ganze Zeit über. Nur mal damit ihr so eine Vorstellung habt: Die Rally hat mehr als 4 Stunden gedauert.
Wie auch immer, ich werde euch die Stationen nicht alle im einzelnen erklären, das kann ich im Winter machen, wenn ich zu Hause bin und mir nicht die Finger wund tippen muss, um euch alles zu erzählen. Nur so viel: Sie waren alle sehr cool und so ziemlich alle mitten im Dschungel.
Aber auf die letzten drei möchte ich gerne etwas genauer eingehen (eigentlich die letzten vier, aber die eigentliche Letzte Station konnten wir nicht mehr machen, weil es schon stockdunkel war und die Rally abgebrochen wurde (hat alles wesentlich länger gedauert als gedacht, was noch einige andere Unannehmlichkeiten verursachte…).
Nummer 1 dieser letzten drei: Schlammkriechen. Ich meine das wörtlich. Erst mussten wir einen steilen, glitschigen Erdhang raufklettern, nur mit Hilfe einer Wurzel und eines nassen Seils und dann mussten wir uns erst in eine Art Erd-Krater hinablassen und sind direkt in knietiefem Schlamm gelandet. Es hatte seinen Grund, dass wir alle Klamotten anziehen sollten, die wir hinterher wegwerfen könnten: im Schlamm waren Schnüre gespannt, unter denen wir durch kriechen mussten. Ich kann euch versichern, dass die second-years, die diese Station geleitet haben, sicher gestellt haben, dass die Schnüre tief genug waren, damit wir GANZ im Schlamm kriechen mussten. Ich denke, es ist ein Wunder, dass die meisten von uns es geschafft haben, die Köpfe weitgehend unberührt zu lassen, aber auch wirklich nur weitgehend.
Leider existieren von meiner Gruppe keinerlei Fotos, wenn wir Schlammmonster waren.
Aber damit war noch nicht genug: Wir mussten von kaltem Schlamm bedeckt, barfuß weiterlaufen. Mitten durch den Dschungel. Mein Kommentar dazu war: „This would definitely be something for my sister!“
Wir sind schließlich an der Stelle angelangt, mit der ich begonnen habe. Warum wir da rumstehen mussten? Die Gruppe vor uns war noch nicht fertig und, aber schon so weit weg, dass wir sie nicht mehr sehen konnten, auch nicht hören.
Wir mussten warten und es wurde kälter und kälter. Als der zuständige second-year schließlich wieder zurückkam und uns erklärt hat, was die Aufgabe ist, haben wir nicht gerade vor Begeisterung aufgeschrien.
Wir bekamen alle die Augen verbunden, bis auf den Letzen und mussten uns in einer Reihe hintereinander aufstellen, an den Schultern fassen und so einen Parcours durchlaufen, nur durch Druckzeichen an den Schultern vom letzten Mann gelenkt. Nun, ihr könnt euch vielleicht vorstellen wie das ist, mitten im Dschungel und barfuß. Besonders, wenn einer der second-years dir ganz am Anfang ein frisch geschossenes Bild gezeigt hat: Eine riesige schwarz-orange gestreifte Tarantel. Wo sie die gefunden hat? Bei ihrer Station, im Dschungel.
Und was gab man uns als guten Rat ganz am Anfang mit auf den Weg? „Passt auf die Schlangen und Spinnen auf! Ich meine das ernst!“
Wir haben zwar zum Glück mit keinem von beidem nähere Bekanntschaft machen müssen, aber wenn du BLIND durch einen Parcours irrst, barfuß über Stöcke, Blätter, Steine stolperst, durch tiefen Schlamm laufen musst (schon wieder) und schleimige Erd-Treppen runter steigst, denkst du schon darüber nach, auf was genau du da gerade wohl trittst.
Trotzdem muss ich sagen, dass auch diese Station mir sehr gefallen hat. Das einzige Problem war, dass es inzwischen Dunkel und der Nebel auf unglaubliche Weise noch dichter geworden war und wir alle schrecklich froren, weil wir schlamm-nass waren.
Im Grunde wäre da die nächste Station genau das Richtige gewesen: Macht ein Feuer! Leider haben wir versagt und dann wurde das Ganze trauriger Weise auch schon abgebrochen.
Wir haben uns alle wahnsinnig auf die Duschen gefreut: 4 Duschen für alle Mädchen und eiskaltes Wasser.
Wir haben immer zu viert in einer Dusche geduscht. Das gesamte Haus war völlig verschlammt und verdreckt, weil die Duschen ganz am Ende unseres Schlafhauses waren und von den Duschen brauch ich gar nicht erst anfangen.
Ich weiß nicht, wann ich das letzte Mal so lange und so beständig gefroren habe. Und trotzdem hatten wir noch Spaß.
Als wir endlich mehr oder weniger sauber waren und warme Sachen anhatten, gab’s erst mal Abendessen. Herrlich.
Danach gab es noch ein Lagerfeuer (mit Marshmellows ), zu dem wir alle als lange Kette blind über Stock und Stein geführt wurden und danach eine von uns allen improvisierte „No-talent-show“, die der absolute Wahnsinn war. All die Dinge in diesem Absatz vermag ich jedoch nicht so zu erklären, dass euch begreiflich wird, wir wundervoll sie waren. Darum sind sie nur so kurz und scheinbar lieblos dahin geschrieben.
Irgendwann, nicht vor 12, waren wir dann auch mal in unseren Betten, aber um kurz nach 6 am Morgen ging‘s schon wieder raus: Frühstück und dann das Programm fortsetzen…
Nur so viel dazu: Alle waren müde und trotzdem haben wir noch viele und coole Sachen gemacht.
Dieser Tag war allerdings sehr nebelig. Das heißt, wir befanden uns in den Wolken. Den ganzen Tag. Das war der Hammer und es war irgendwie gruselig und es war sehr kalt.
Am Abend um kurz nach 5 irgendwann haben wir uns auf den Heimweg gemacht. Weil es so nass war, war es nicht sicher, mit dem Bus runter zu fahren, deswegen sind die Busse ohne uns runtergefahren und wir mussten den ganzen Weg bis zum Fuße des Berges laufen, im Dunkeln, müde und kaputt wie wir waren. Aber selbst das hat noch Spaß gemacht.
Als wir endlich wieder auf dem Campus waren, gab es Abendessen und dann eine Überraschung: Die second-years hatten eine Show für uns vorbereitet (ja, noch eine! Ich weiß, unserer second-years sind super toll :) ). Es war wundervoll, aber danach konnte ich noch, gerade so, weiß der Geier wie, diesen Post schreiben (den ich aber erst am nächsten Tag reinstelle, am Abend) und dann bin ich in einen Toten-Schlaf verfallen, um 11 Uhr 30 Abends.
Ich hatte vor heute auszuschlafen, weil wir heute frei haben, was mir aber nicht viel bringt, weil die Lehrer hier „Ferien“ als „Hausaufgabenzeit“ anzusehen scheinen…
Und ratet mal, wann ich aufgewacht bin!
6 Uhr Morgens. Und ich konnte nicht wieder einschlafen. Ich weiß wirklich nicht, was UWC mit mir angestellt hat...
Egal, ich bin glücklich.
Wir sehen uns – mir fällt gerade ein, dass ich noch ganz viel vergessen habe zu erwähnen über das Camp und alles, lauter tolles Zeug, aber das erzähle ich ein andern mal...
Lauri
debe haber sido una gran experiencia.
AntwortenLöschenL.g. Papa